Dienstag, 28. Oktober 2008

Transasia Express - Warum haben iranisch-türkısche Bahnhöfe keıne Uhren



Wenige Stunden vor der Abfahrt meines Zuges erhalte ich die Fahrkarte. Eın iranisches Fernsehteam muss mich und einen Imam in sein Abteil aufnehmen. Pünktlich um 18.45 verlaesst der Transasia Express den Hauptnebenbahnhof Teheran. Es ist ein geraeumiges 4Bettabteil, die anfangs etwas frostige Stimmung gegen dıe " Eindringlinge " löst sich bald in allgemeiner Sympathie auf. Es wird viel gesprochen, zum xten Male muss ich dıe gleıchen Fragen beantworten. Iraner sind sehr gastfreudig und nach einem opulenten Mahl, jeder steuert einen Teil seiner mitgebrachten Verpflegung bei, wird es eine kurze Nacht. Das Klappbett ıst breıt und bequem, die Temperatur angenehm, niemand schnarcht zu laut. Taebris wırd pünktlich erreicht, letzte Einkaeufe getaetigt, die iranischen Mitreisenden freuen sıch auf den Grenzübergang in ca. 9 Stunden. Manche sind in einer sehr depressiven Stimmung wegen der Verhaeltnisse in ihrem Land, die meisten Jungen sehen keine Zukunftschancen. Paesse bekommen junge Maenner erst nach Absolvierung ihres Militaerdienstes, die Beziehungen zwischen den Geschlechtern sind sehr angespannt, junge Frauen werden als geldgierig, putzsüchtıg und einkaufswütig hingestellt, junge Maenner als ungebildet, flegelhaft und unfaehig Gefühle zu entwickeln oder um eine Frau zu werben. Maenner und Frauen sind dem Fremden gegenüber sehr mitteilsam, sie haben keine Scheu über all Dies mit mir zu sprechen.
Mit einigen Stunden Verspaetung erreichen wir den Grenzuebergang zur Tuerkei. Die Stimmung ist angespannt. Es werden die Paesse abgegeben und trotz der Zusage " in 30 Minuten" gehe es weiter, beginnt ein stundenlanges Warten. Alte Maenner und Frauen, Muetter mit Kleinkindern, sitzen in einem kalten Warteraum. Meine letzten Rial sind ausgegeben, niemand spricht mit dem Anderen. Es ist ruhig. Sehr ruhig. Ich weiss nicht warum. Noch nicht. Nach langem Warten kommt ein Grenzsoldat, verteilt einige Paesse. Die Mitfahrenden nehmen sie freudig entgegen. Dann wieder ein Stoss des begehrten Dokuments. Auf einer Treppe stehend werden gnaedig die Dokumente, fast widerwillig verteilt. Fuer mich unverstaendlich. Eine Demonstration des uebermaechtigen Staates? Ein Pfiff der Lokomotive. Alle stuerzen zu den Waggons, ein unterdrueckter Jubel bricht aus. Noch sind wir im Iran. Nach einiger Zeit ist der Tuerkische Grenzposten erreicht, das gleiche Spiel wiederholt sich. Kleinkinder schreien, die Erwachsenen sind trotz des ermuedenden Wartens lockerer. Es wird finster. Die Verspaetung betraegt schon ueber 12 Stunden. Zeit und Menschenwuerde sind auch bei diesen Grenzbeamten unbekannt. Ueberall sind bewaffnete Soldaten. Der Betreiber des kleinen Verpflegungkiosk verrechnet einen unmoeglichen Wechselkurs fuer Rials. Die Iraner koennen keine Einkaeufe taetigen. Der Zug setzt sich ohne Vorankuendigung in Bewegung, bleibt nach einigen Metern stehen, das Signal fuer die Zurueckgebliebenen einzusteigen. Dieses Spiel wird einige Male wiederholt. Eine einfache Durchsage waere menschlicher gewesen. Die Iraner nehmen es mit einer stoischen Ruhe auf sich. Mit geringer Geschwindigkeit faehrt der Transasien Express Richtung Vansee. 14 Stunden Verspaetung. Angeblich verlangen Kurdische Stammeshaeuptlinge fuer die Durchfahrt durch ihr Gebiet Schutzzoll von den Tuerkischen Staatsbahnen und schreiben die Geschwindigkeit vor. Der Zug steigert diese, ploetzlich ein Knall, das Fenster meines Zugabteils zersplittert, Teile des verstaerkten, dreifachen Sicherheitsglases fallen ins Abteil, wir sind beschossen worden. Grosse Aufregung, einfache Mitreisende stellen sich als Sicherheitsbeamte heraus, mit einem Schulterzucken und Inshallahrufen wird der Vorfall abgetan und eine Platte eingesetzt.Die Mitreisenden werden aufgefordert ihre Vorhaenge zuzuziehen oder das Licht abzudrehen. Soetwas scheint oefters vorzukommen. Trotzdem ist die Stimmung sehr gut.Viele erzaehlen jetzt, dass sie nicht mehr in den Iran zurueckkehren. Fuer mich unvorstellbar, dass in Einem Zug so viele Fluechtlinge sein sollen.
Wie schon bei der Herfahrt habe ich keine Moeglichkeit, die Naturschoenheiten des Vansee bei Tageslicht zu bestaunen. Es ist tiefe Nacht. Bei der Ankunft in Tatvan erwartet uns kein Anschlusszug. Unvorstellbar, dass der Transasia Express, der eines Tages bis Peking fuehren soll, nicht mehr Aufmerksam erfaehrt. Nach einer Stunde Wartezeit bei leichtem Nieselregen Zuggeraeusche. Alle stuermen in die Abteile, viele setzen sich ins naechstbeste Abteil, ich bin ploetzlich mit drei aelteren (?), sehr alten Iranerinnen im Abteil. Unvorstellbar gemischtgeschlechtlich zu uebernachten. Sie erkennen bald ihren Irrtum. Sie wissen nicht, dass der Zug wie im Iran zusammengestellt ist. Ein Mitreisender kommt ohne Gepaeck, er verrichtete in der Moschee seine Gebete, ohne Signal ( Schikane? ) faehrt der Zug ab und mit Muehe kann er den Wagon erreichen. Zwei Burschen haben schon vorher sein Gepaeck in irgendein Abteil gebracht. Trotzdem ist die Stimmung froehlich, einige Mitreisende haben Musikinstrumente mit, es wird gesungen und gespielt, an Schlaf ist nicht zu denken, zuerst muss auch noch gefruehstueckt werden. Bei Morgengrauen komme ich endlich zu einigen Stunden Schlaf. Tagsueber eine grandiose Landschaft, Ostanatolien. Jedes Tal wird ausgefahren, langsam gewinnt der Zug Hoehe. Die Gegend ist eine der fruchtbarsten die ich jemals gesehen habe. Weite Taeler, unbewoht oder auch heute noch durch Teilnomaden besiedelt. Gut vorstellbar, dass in frueheren Zeiten, einfallende Reiterheere auf ihrem Zug nach Westen, kein Hinderniss vorfanden, keinen Widerstand, dafuer Verpflegung und Versorgung fuer sich und ihre Pferde. Von Zeit zu Zeit bleibt der Zug stehen, Glaeubige koennen ihre Gebete verrichten. Auf keinem der Bahnhoefe seit Teheran, ausgenommen Taebris, gibt es Uhren. Wozu? Irgendwann wird der Zug schon kommen und irgendwann weiterfahren. Auf einer handgeschriebenen Tafel lese ich Abfahrtzeiten. Die des Transasia Express war um 8.50. Jetzt ist es 18.25 und Gebetszeit. Inshallah. In Kayseri verlaesst fast die Haelfte der Mitreisenden den Zug. Kayseri, eine Stadt nur bekannt fuer seine Teppiche. Warum? Ein Grossteil der Mitreisenden sind Anhaenger der Bahia Glaubensgemeinschaft. Das Fluechtlingswerk der Vereinten Nationen hat hier ein Auffanglager eingerichtet. Einige aeltere Frauen muessen wieder in den Iran zurueck, sie bringen ihren verfolgten, vertriebenen, gefluechteten Familienangehoerigen Nahrungsmittel und Nachrichten von der Familie. Viele duerfen nicht ausreisen, sie sind der Willkuer des Staates wegen ihrer Religionsfreiheit weiter ausgeliefert und Garant fuer die Rueckkehr der Besucherinnen. Die Religionsfreiheit der Bahia ist eine islamische Abspaltung von den Schiiten in der Mitte des 19. Jhdts. Sie halten ihren Gruender fuer einen Propheten. Da Mohammed fuer Schiiten als letzter Prophet gilt, werden sie verfolgt und zahlreiche ihrer religioesen Fuehrer wurden in den letzten Jahren hingerichtet.
Ankara wird erreicht. Ich komme mir vor wie in einer Mitteleuropaeischen Stadt. In den 30er Jahren des 20. Jhdts wurde Ankara unter Atatuerk ausgebaut. Unter der Leitung des oesterreichischen Architekten Clemens Holzmeister entstand eine Stadt, geplant nach den neuesten Erkenntnissen moderner Stadtplanung. Die Geschwindigkeit des Zuges wird erhoeht, Stationsaufenthalte gekuerzt, die Nacht bricht herein, um 23 Uhr erreichen wir mit 10 Stunden Verspaetung den Istanbuler Bahnhof Haydarpasar. Es ist stockdunkel, zum Aussteigen wird ein PKW auf den Bahnsteig zum Ausleuchten gefahren. Haben sie den Zug vergessen und das Licht schon abgedreht? Nein. Wenige Stunden vor der Ankunft des Zuges gingen wolkenbruchartige Regenfaelle ueber der Stadt nieder, die Stromversorgung brach zusammen. Ich habe mein Gepaeck bei mir, taste mich aus dem Hauptbahnhof, erreiche mit Muehe die letzte Faehre ans Europaeische Ufer. Nach einer angenehmen Fahrt ueber den vielgeruehmten Bosporus und der Strassenbahn umarme ich im Hotel meine Kalifin. Sie und ich sind froh, dass die Reise gut abgelaufen ist. Auch Anneliese ist zu meiner Begruessung aufgeblieben, ich erzaehle viel, zu aufgewuehlt bin ich von dieser langen Fahrt, um sofort schlafen zu gehen.
Manches habe ich Euch geschrieben, vieles muss ich noch nachholen. Die Menschen die ich traf waren durchwegs liebenswert.

Ich schreibe diesen kurzen Bericht fertig, nach meiner heutigen ( 30.10.) Rueckkehr, in Salzburg. Die Tage in Istanbul waren voller Freude des Wiedersehns, die Zeit zum Schreiben fehlte. In den naechsten Tagen folgen weiter Berichte, auch Photos werden eingestellt. Ich freue mich darueber, dass einige von Euch mit grossem Interesse meine Reise mitverfolgt haben. Waehrend meines Aufenthalts in Syrien und dem Iran kann ich aus Ruecksicht auf wunderbare Menschen nicht Alles schreiben. Namensneutral werde ich noch manches berichten.



Salam und Auf Wiedersehen

3 Kommentare:

MustafA hat gesagt…

Hallo Michael!
mit großer Freude vernehmen wir das du wieder gut in Salzburg angekommen bist. Wir danken dir nochmals für deine wunderbaren Berichte, haben sie alle ausgedruckt.
Liebe Grüße auch an deine Kalifin
Franz und Gerti

Anonym hat gesagt…

dann schlaf dich mal aus und komm erstmal wieder richtig an. viele grüße, rico

Anonym hat gesagt…

Hallo Michael !

Statt einer Gute Nacht Lektüre hat
Dein Blog viel mehr Info , Spannung
und und und

Seit Marco Polo und Sven Hedin ...

Meine grosse Bewunderung sei Dir gewiß
un dgespannt auf weitere Geschichten freut sich
HEINZ der Geschirrrmufti