Mittwoch, 10. November 2010

Fluglärm über Sanaa -- Wiederholt Schüsse in der Stadt

Seit Tagen ist verstärkter Fluglärm über Sanaa zu hören. Vorwiegend in der Morgendämmerung und am Abend nach Einbruch der Dunkelheit. Aus Sicherheitsgründen (?) fliegen die Maschienen ohne Positionslaternen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei allen Flugzeugen die Lichter wegen eines technischen Defekts ausgefallen sind. Es ist sehr gespenstisch. Die Menschen hier sind nicht sehr darüber aufgeregt, sie sind es wahrscheinlich gewöhnt. In einigen Gebieten des nördlichen, südlichen und östlichen Jemen ist es in den letzten Wochen zu sehr starken kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Terroristen ( wie es die ofizielle Regierungsmeinung ist) und der nationalen Armee gekommen. Laut Presseberichten denken die Amerikaner nicht daran Militärhilfe zu leisten. Vor einigen Tagen ist ein grosses, viermotoriges Flugzeug der US Armee in Sanaa gelandet. Wahrscheinlich Hilfsgüter für in einigen Gegenden bombardierte Zivilisten. Zu sehen war das Flugzeug genau, da es knapp über der Stadt einflog.
In den letzten Tagen sind immer wieder kurze Gewehrsalven zu hören. Oder sind es Knallkörper anlässlich von Hochzeitsfeierlichkeiten? Zeitlich in der Früh? Heute Morgen zumindest habe ich kurz darauf  Sirenen von Einsatzfahrzeugen gehört. Vor einigen Tagen wurden, vom zuhilfegerufenen Militär (?)  Warnschüsse in die Luft abgegeben , da sich protestierende und vertriebene Strassenhändler weigerten erhöhte Gebühren (?) für ihre Strassenplätze zu bezahlen. Vielleicht habe ich aber diese Meldung der staatlichen Presseagentur auch missverstanden.
In diesen Tagen gibt es gehäuft Stromausfälle, die Leitungen und Masten sind altersschwach und fallen daher leichter aus.
Laut staatlicher Presseagentur soll der Wachmann, der das OMV Gebäude bewachen sollte und dabei einen französischen OMV Mitarbeiter erschoss, seit Monaten mit einer terroristischen Gruppe via Internet in Verbindung gestanden haben. Ursprünglich wurde berichtet, er hätte psychische Probleme.
Wieder kam es im Süden zu Zwischenfällen, weil Stammeskrieger das Verbot des Waffentragens in einigen Städten nicht einhielten und es dadurch zu Scharmützeln kam. Das Ganze und die Argumentation ist manchmal sehr undurchsichtig. Wie oft bei solchen Zwischenfällen taucht plötzlich ein gegen ein Land gerichtetes Problem von aussserhalb auf. Die staatliche Presseagentur meldet, dass Somalia territoriale Anspruche gegen den Jemen anmeldet. Somalia beansprucht die Inselgruppe Sokotra für sich, weil sie ja viel näher zu Somalia liegt als zum Jemen. Der Jemen will dieses  Problem vor die UNO in New York bringen.
Leider sind die Internetverbindungen für skype zu schwach und so ist es seit Wochen nicht möglich über skype zu telefonieren. Nur einmal ist es mir gelungen. Auch sonst ist das Internet sehr anfällig und manchmal ist es mit Microsoft Produkten nicht möglich eine Verbindung herzustellen. Der Server " findet die gewünschte Adresse nicht " . Dadurch bin ich von Zeit zu Zeit ohne Kommunikationsmöglichkeit.
Mein Leben hier geht seinen gewohnten ruhigen Lauf, der Unterricht ist fast abgeschlossen. Viele Jemeniten sind auf der Hadj in Mekka. Nächste Woche ist ein grosses Religiöses Fest. So sie es sich leisten können, fahren Jemeniten weg oder besuchen ihre Heimatdörfer, wie auch mein Lehrer. Die öffentliche und private Geschäftstätigkeit ruht. Ich werde für einige Tage in ein ruhiges Gebiet fahren, wenn ich eine Genehmigung bekomme. Ich gelte hier als Resident und nicht als Tourist und als solcher bekomme ich die Reisebewilligung erst am Vortag der Abreise. Wenn ich alle Papiere zusammenhabe. Welche? Das ist schwer zu sagen. Die genaue Route mit Datum ist anzugeben, über Zwischenaufenthalte herrscht Unklarheit. Von mir verlangt die Touristenpolizei plötzlich ein Passphoto, für die Fahrt brauche ich zusätzlich ca. 60 (!) Kopien der Bewilligung, wegen der zahlreichen Polizei- und Militärkontrollen. Ich bin eben in einem gut bewachten und sicheren Land. Für eine Strecke von ca. 700 km.
Die Menschen hier sind reizend, freundlich und hilfsbereit. Meine ersten Eindrücke haben mich nicht getäuscht. Sie haben es nicht leicht. Ausländische Hilfe erreicht sie oft nicht, der Staat ist sehr arm und hat wenig Einnahmsquellen. Viele haben noch kein Bewusstsein für die Schönheiten und Kulturgüter ihrer Heimat. Der Kampf ums tägliche Brot lässt ihnen dazu keine Zeit und es gibt niemand, der sie darauf hinweist. Das nicht vorhandene Wissen über das eigene Land ist erschreckend und löst bei mir immer wieder innerliches Kopfschütteln aus.

Noch immer fliegen laute UFOs über die Stadt.
Bilder aufzuladen ist im Moment nicht möglich.

Liebe Freunde und liebe Kalifin, seid unbesorgt. Ich grüsse Euch herzlichst aus dem fernen Orient.

Massalam

2 Kommentare:

Kalifin hat gesagt…

Mein allerliebster Kalif! Die Wochen vergehen im Flug und die Freude ist groß, wenn du mit all deinen Geschenken,deinen arabischen Kurzgedichten und vielen Gedanken und Erlebnissen wieder gesund und erschlankt(?) hier landest! skype wird ja weiterhin gesperrt bleiben- schade. Solange der Flugverkehr anhält---bussi- in Gedanken bei dir-deine Kalifin

rick hat gesagt…

liebster kalif, genieß die tage und pass auf dich auf. gerne lese ich weitere einzelheiten und eindrücke aus dem jemen, besonders, was die aktuelle situation betrifft. und wenn bilder und skype nicht wollen, wie ich dich kenne, werden wir das bald nachholen. hier werden übrigens die ersten weihnachtsbuden und -lichter aufgebaut. verpasst also nix. herzliche grüße, rv