Donnerstag, 25. November 2010

Bayt Al Faqih - Der zweitgrösste Wochenmarkt des Jemen - Rückkehr nach Sanaa - Abschied

Bayt Al Faqih, 60 km von Hodeida entfernt, ist der zweitgrösste Wochenmarkt des Jemen. Nützliche Dinge für den täglichen Gebrauch werden dort angeboten, Kamele, Kühe, Ziegen, Schafe und Geflügel. Zu den Feiertagen wurden viele Tiere geschlachtet, die Gelegenheit Garagen, Vorgärten und Ställe mit neuem Leben zu füllen. Markttag ist Freitag, mein Rückreisetag. Ideal um den Markt zu besuchen. Auf den staubigen Zufahrtstrassen ist ein reger Verkehr, zusätzliche Sicherheitskontrollen finden statt, auch wir werden nach Waffen durchsucht. Jemeniten sind verwundert denn diese Gegend gilt als sicher. Vielleicht will die Verwaltung damit aber auch nur ihre Sorge um die Mitbürger zeigen. Diese Kontrollen, anfänglich als lästig empfunden, nimmt man nach kurzer Zeit als gegeben hin.
Der Andrang ist sehr gross. Es gibt kaum ein Durchkommen zwischen den Ständen, Abdul findet dass Normalerweise mehr los ist, es sind eben noch immer Eidferien. Stolze Besitzer kürzlich erworbener Schafe und Ziegen begegnen uns, sie werden geführt wie bei uns Hunde, mit einem Strick als Halsband. Zicklein und Lämmer werden auf Schultern getragen oder irgendwo, jämmerlich blöckend, angebunden. Kamele werden keine angeboten. Die, die zu sehen sind, dienen als Tragtiere für Handelsware. Über all Dies eine Staubwolke und der nicht immer angenehme Geruch des Orients. Unvorstellbare Mengen an Abfall, Plastiksackerl und sonstiger Unrat liegt überall herum. Anscheinend nur für mich sichtbar. Niemand stört sich daran, sondern vergrössert noch den Zustand. Ein allgemeines Problem im Jemen. Alles wird weggeworfen, sobald es nicht mehr gebraucht wird. Und wenn es 1m neben einem der sehr spärlichen Mistkübel ist. Zicklein und Lämmer werden die Mäuler mit Schnur zugebunden. Der Kunde soll die Milchleistung des Muttertieres an den prall gefüllten Eutern sehen. Geflügel flattert kopfüber zusammengebunden. Oft auch an den Gürteln der Käufer. Kürzlich geschlachtete Tiere hängen in der Sonne. Der Käufer kann sich ein Stück abschneiden und in der danebenliegenden Garküche zubereiten lassen. Wir essen nichts. Irdene Erdöfen qualmen, frisches Brot wird gebacken. Dazwischen Gemüsebauern, grosse geflochtene Körbe mit Gewürzen und getrockneten Feldfrüchten. Auf Tischen, das muss betont werden, Honig, Gebäck und alle möglichen Arten von Zuckerblöcken. Zum Teil aromatisiert mit Extrakten verschiedenster Blumen. Neugeborene, wenige Stunden alte Lämmer, noch kaum fähig zu stehen, werden mit den Muttertieren angeboten. Kühe, kleinwüchsiger als bei uns, stehen in Gruppen und warten auf ihren Käufer. Immer wieder wollen die neuen Besitzer mit ihren Tieren photographiert werden. Sura, sura : Bild, Bild. Das manchmal von mir an häufigsten gehörte Wort. Stolz, und für jeden sichtbar werden grosse Geldbündel gezählt. Die wenigen Frauen, durchwegs unverschleiert, sitzen bei ihren Waren und hoffen auf Käufer. Es wird viel gefeilscht, gekauft oder aber weitergegangen. Die Körpersprache Vieler drückt dann Überlegenheit, Verachtung oder Ärger aus. Händler erzählen mir, dass die Kunden den Preis bestimmen wollen. Scheininteressenten werden verachtet.

Die Menschen hier sind anders als im Hochland. Durch die Nähe Afrikas mit dunkler Hautfarbe. Die Frauenkleider sind bunt, schwarz sieht man kaum











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Markttag ist gleichzeitig Arzttag. Viele lassen sich schröpfen ( Bilder konnte ich auf Wunsch keine machen), Barbiere und " Dentisten" haben hochbetrieb.
Erschöpft, verschwitzt, verdreckt, setzen wir die Heimreise fort.



Wir fahren eine angeblich durchgehend neue Strasse Richtung Berge und Sanaa. Die Tihama ist in diesem Teil sehr fruchtbar, es gibt genügend Wasser. Trotzdem gibt es auch Gegenden in denen Frauen aus 4-5 km Entfernung mit Esel Wasser zu den Häusern bringen. Warum das nicht die Männer mit ihren geliebten Motorrädern machen konnte mir niemand erklären. Vielleicht ist es für Frauen auch eine Möglichkeit entferntere Freundinnen zu treffen und Neuigkeiten auszutauschen.
Plötzlich ist die Strasse zu Ende und wir müssen die Fahrt im Flussbett fortsetzen. Ein neuer Damm wurde gebaut und für einen Strassenanschluss reichte das Geld nicht. Die EU hat nur für den Damm das Geld zur Verfügung gestellt. Im Jemen dachte niemand daran. Der Präsident kam persönlich zur Eröffnung. Vielleicht hat dieser Übervater persönlich geschaufelt und Beton gemischt und dabei die Übersicht verloren.
Wieder neue, erst in den letzten Tagen errichtete Strassensperren. Vor einer steht ein Pickup mit einem in Fahrtrichtung gerichteten Maschinengewehr. Nach dem Durchfahren sehen wir warum. In Gegenrichtung warten ca. 15 mit Maschinenpistolen Bewaffnete auf die Durchfahrt. Ein Scheikh möcht die nächstgelegene Ortschaft besuchen. Dass er von höchsten 3 Bewaffneten begleitet werden darf, hat sich in die Berge noch nicht durchgesprochen. So wird verhandelt, verhandelt, verh.....Es ist anscheinend unter seiner Würde mit einer so kleinen Gruppe Bewaffneter den Ort zu besuchen. Abgeben wollen sie die Waffen nicht, sie fürchten sie könnten verloren gehen.Die Fahrt in die Berge ist wieder beeindruckend. Am frühen Nachmittag essen wir zu Mittag und dann passierts. Im Lokal trifft mein Fahrer zufällig (?) einige Jugendfreunde und gemeinsam ziehen sie sich zu einer Katrunde zurück. Vergessen das Versprechen kein Kat während der Fahrt zu kauen, vergessen dass ich nicht zu spät nach Sanaa kommen wollte. Nach zwei Stunden kauen besinnt er sich seines Versprechens und wir fahren weiter. Er nimmt zwar jede Kurve etwas zu spät, mit einem energischen Schlenker findet er aber immer wieder den richtigen Weg.






Wir sind, Allah und allen guten Geistern sei Dank, gut in Sanaa angekommen.

Es geht ans Einpacken, meine schönen und erlebnisreichen Tage in Jemen gehen ihrem Ende zu. Ich tätige die letzten Einkäufe, verabschiede mich von liebgewordenen Menschen. Mit einer Mitarbeiterin gehe ich Mittagessen. Sie ist Jemenitin, 32 und das erste Mal allein mit einem fremden Mann in einem Lokal. Das ursprünglich geplante Abendessen musste sie absagen. Ihre Eltern verlangen dass sie um 21 Uhr zu Hause ist. Mit meinem Lehrer esse ich einen herrlichen Fisch. Als kleines Abschiedsgeschenk bringt er mir selbst angebauten Kaffee mit. Er bedauert nicht mehr geben zu können, die letzte Kaffeeernte war wegen Trockenheit sehr gering. Von der Schule bekomme ich eine Urkunde über den bestandenen Kurs. Wo werde ich die wohl aufhängen, alle meine anderen sind in einer Schublade. Der Schulleiter meint allerdings, dass sie mehr für die Kalifin sei , als Beweis dass ich doch etwas Positives im Jemen getan habe.
Ich möchte mich bei allen Lesern und Besuchern sowie Kommentarschreibern des Blogs herzlichst bedanken. Ich hoffe, es hat Euch ein Vergnügen bereitet und Euer Interesse für dieses schöne Land mit seinen liebenswerten Menschen geweckt. Es gibt hier so viele schöne, aufregende Dinge zu sehen und entdecken, dass ein kurzer Besuch nicht genügt. Gern stehe ich für Auskünfte zur Verfügung. Bei einer Frage einfach eine PN ( persönliche Nachricht) senden. Viele Presseberichte sind einseitig und gesteuert. Natürlich gibt es hier viele Probleme. Mit persönlicher Umsicht und Vorsicht ist der Jemen ein ungefährliches Reiseziel.
In den nächsten Tagen stelle ich noch einige nützliche Bemerkungen zum Reisen nach und im Jemen in diesen Blog.

Mein besonderer Dank gilt meiner Familie, meiner Kalifin und den Freunden, die sich um sie während meiner langen Abwesenheit kümmerten.

Massalam   Auf Wiedersehen


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Kalif,

Ich plane gerade einen einmonatigen Aufenthalt in Damaskus zum Arabisch-Lernen nach meinem Abitur. Dabei bin ich auf diesen Blog gestoßen und bin begeistert!
Vielen Dank für diese wunderbaren, interessanten Berichte! Ich habe mich damit nun schon einige Stunden herumgeschlagen und mein Durst ist noch lange nicht gestillt!

Viele Grüße,
Maureen

Kalif 08 hat gesagt…

@ Maureen. Hallo Maureen, herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Wenn Du eine Auskunft brauchst, schick mir einfach ein Email. Zum bevorstehenden Abitur wünsche ich Dir viel Erfolg. Kalif