Montag, 18. Oktober 2010

Quat - Kat, egal wie mans schreibt, Arabia Felix hat auch Schattenseiten

Jeden späten Vormittag erlischt in vielen Fällen im Jemen das geschäftliche Treiben. Nicht dass die Jemeniten ihre Läden und Handwerksbetriebe schliessen. Nein, sie haben nur noch eines in Kopf: Kat.
 Eine strauchähnliche Planze deren junge Blätter mit Genuss stundenlang gekaut werden. Immer wieder stopfen sie frisches Grünzeug in sich hinein, spucken den angeregten Speichel aus ohne dabei das Gekaute zu verlieren, kauen weiter und nach wenigen Stunden schwillt eine der Backen zu einer Hamsterbacke an. Apathisch legen sie sich in ihre Geschäfte und Werkstätten. Vorbeigehende und Kunden nehmen sie nur schemenhaft wahr und starren sie mit glasigen Augen an. Es ist ruhig, sehr ruhig. Als Bewacher der Betriebe sind ihre Kinder, 8-10jährig, die sich bis Geschäftsschluss um den Umsatz kümmern sollen, so sie nicht auch mit geschwollener Wange schon dösend herumstehen. Kat hat eine stimmulierende, einschläfernde Wirkung, unterdrückt das Hungergefühl, lässt das Leben leichter erscheinen und ruft eine philosophierende Stimmung hervor. So sitzen viele in kleinen Gruppen, diskutieren mit leiser Stimme was besser zu machen ist und dass ab Morgen manches geändert gehört. So vergehen die Stunden, am nächsten Tag ist Alles vergessen und dieser Vorgang wiederholt sich, wiederholt sich, wiederholt sich.......
Die Geschäfte und Stände der Katverkäufer öffnen gegen Mittag. Davor bilden sich Haufen  von Drängenden. Jeder will der Erste sein, mit Geldscheinen winkend glauben sie dies beschleunigen zu können. Öffnen sich die Türen oder Säcke der Verkäufer kommt es manchmal zu tummultartigen Szenen. Der gekaufte Stoff, schon in kleinen Plastiksäcken abgepackt, wird kurz geprüft und mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck suchen sie ihren Besprechungs- oder Ruheplatz auf. Alles ruht. Handwerker haben ihre Baustellen verlassen, morgen ist ja auch noch ein Tag, Geschäfte sind scheinbar verwaist, in Wirklichkeit liegt der Ladenbesitzer irgendwo hinter der Buddel.
Kat ist eine teure Pflanze. Mit dem Preis einer Portion kann eine Familie einen Tag ernährt werden. Katbauern bekommen den zehnfachen Preis sonstiger Feldfrüchte. der Anbau von Kaffee ist stark zurückgegangen.Beide benötigen gleiche Voraussetzungen. Kat wird ständig von nachwachsenden jungen Trieben geerntet. Bei Kaffee kann es zu Missernten kommen.
Gegen Katgenuss gibt es Programme die nicht angenommen werden. Volkstradition ist eines der Argumente. Nach getanen Vorträgen gegen Kat setzen sich die Verantwortlichen dann zu einer gemütlichen Runde zusammen und diskutieren wie die Welt verbessert werden kann. Vielleicht ist es auch gut so für die Regierenden. Die Armut, und die gibt es hier, ist so viel leichter zu ertragen.
Jemen hat die höchste Rate an Verkehrsunfällen der arabischen Welt. Die meisten zwischen Mittag und Mitternacht. Zusammenhänge wurden bis jetzt nicht erkannt. es ist erschreckend wie viele Autofahrer mit prallen Wangen hinter dem Steuer sitzen.
Kat gilt in Europa als Droge und ist verboten.
Natürlich habe ich diese Behauptungen nicht selbst untersucht. dafür habe ich diese Dinge gesehen, erlebt und von vielen, vor allem jungen Jemeniten erzählt bekommen.


Zu den Kommentaren.
                                Lieber Freund Ofenloch, leider muss ich Dir eine betrübliche Mitteilung machen. Gegessen wird hier mit den Fingern, als Besteck dient ein Stück Fladenbrot, frisch sehr gut und getrunken aus gereinigten Konservendosen. Dieser Brauch wird sich nur mit einer gross angelegten Werbecampagne vielleicht ändern lassen, meiner Meinung nach wird es aber schwer sein denn es gibt ja Kat. Ausserdem sollten wir manchen Ländern nicht unsere europäische Kultur aufzwängen.
                                   Lieber ungezeichneter Anonymos, Deinen Master musst DU hier selbst machen getreu dem Grundsatz: Ich kaufe gerne die Katze im Sack. Aussér einem Sehschlitz kannst Du nämlich nichts feststellen. Darum prüfe wer sich ewig bindet. Siehe Bild.
Allen anderen Schreibern herzlichen Dank, so fern der Heimat freue ich mich über jede Anteilnahme ;-).







Meine 2. und 3.Frau seien herzlichst gegrüsst, vorallem aber meine Kalifin.


Massalam


7 Kommentare:

rick hat gesagt…

Bericht aus der alten Welt:

Alkohol hat eine stimmulierende, aufputschende und später einschläfernde Wirkung, unterdrückt das Hungergefühl, lässt das Leben leichter erscheinen und ruft eine philosophierende Stimmung hervor. So sitzen viele in kleinen sogenannten Kneipen, diskutieren mit lauter Stimme was besser zu machen ist und dass ab Morgen manches geändert gehört. So vergehen die Stunden, am nächsten Tag ist Alles vergessen und dieser Vorgang wiederholt sich, wiederholt sich, wiederholt sich.......

Gegen Alkoholmissbrauch gibt es Programme die nicht angenommen werden. Volkstradition ist eines der Argumente.

Deutschland hat die höchste Rate an Verkehrsunfällen zwischen Mittag und Mitternacht. Es ist erschreckend, selbst ein ehemaliger Ministerpräsident sagte, nach zwei Litern Alkohol koenne man noch Auto fahren.

Alkohol gilt im Jemen als Droge und ist verboten.


Aber mein lieber Kalif, wann kommt es zum ersten Selbstversuch?

Ein herzliches Prost aus Berlin! RV

MustafA hat gesagt…

Oh Kalif
habe leider erst heute erfahren das du schon seit Tagen im Jemen bist. bin begeistert von deinen berichten und es freut mich dich wohlauf und begeistert zu sehen.
Wünsche mir und allen anderen bloggern noch viele weitere Berichte von dir aus diesem schönen Land.
Liebe Grüße aus dem verregneten OÖ
MustafA

Anonym hat gesagt…

Lieber Kalif!

Eines steht jetzt fest. Du kannst auch ohne Kat dösen, fantasieren und herumliegen und musst dazu nicht eine beschwerliche Reisen in den Jemen antreten :-))

Dein Wüstenfuchs

Anonym hat gesagt…

Lieber Kalif!
Auch Du wirst die Katplage im Jemen nicht ändern können, jede Nation hat wohl oder übel ihre eigene Tradition der Selbstvernichtung!
Doch der Anblick der katgefüllten Hamsterbacken soll Dich nicht weiter irritieren und Dich von schönen Entdeckungsreisen abhalten!
Wie steht es um Deine erworbenen Sprachkenntnisse, ist es Dir schon möglich sie auch im jemenitischen Alltag umzusetzen?
Heute hat sich Deine zweite Frau erstmalig in den Wintermantel geworfen, um sich vor gröberen Erfrierungen zu schützen. Sieht so aus, als bräuchten wir ab sofort Handschuhe, Haube und Schal, oh Kalif, wie sollen wir das 6 Monate lang durchhalten????
Sei gegrüßt oh Kalif!

Kalif 08 hat gesagt…

Mit meinem kurzen Bericht über dieses Übel wollte ich nur zeigen dass auch in einem wunderschönem Land mit liebenswerten Menschen unter anderem dieses Problem besteht. Bei uns wird auch Viel berauschendes konsumiert. Die Meisten versuchen aber trotzdem ihre Arbeit zu verrichten.Leider ist dies hier nicht der Fall. Wir hatten heute einen Wasserhahnbruch, die zuständigen Männer waren nicht fähig einen Hahn mit einer Zange zu schliessen. Sie träumten wahrscheinlich von einem herrlichen See mitten in der Altstadt. Erst einem ca. 12jährigem gelang es.

Anonym hat gesagt…

Unser großer Kalif,
ich bin entzückt und hypnotisiert zugleich, geradezu in Jemen in Echtzeit versetzt und gebeamt von deinen plastischen, sehr bewegenden, wahrheitstreu-ehrlichen, ungeschmückten und v.a. in jeder Hinsicht wortgewaltigen kalifischen (!) Berichten aus Arabien! Photographie in Worten, faszinierender Dokumentarfilm in wenigen Sätzen, oh, großer Kalif! Mehr davon bitte, auch deine digitalen Aufnahmen des pittoresken, wie aus einem fremden Planeten ausgeschnittenen jemenitischen Alltags sind Meisterwerke in meinen, oh, dich so sehr vermissenden Augen!
P.S. Ich habe dir hier oft geschrieben, als Anonymus aus Ungeschick und Jugendtorheit, dies sei mir aber verziehen. Ich habe ja gewissermaßen orientalische Wurzeln, die mich zu vielen z.T. leichtsinnig-unüberlegten Aktionen und Ausdruckswege, quasi Tagträumereien treiben, auch ganz ohne Kat (..ist die Katze im Sack für Überraschungen gut ... ;)

Sei herzlichst gegrüßt von
deiner 3.Frau, SKi (Snowboardjacke inkl., kein Scherz, sehr überzeugend riecht es seit Tagen nach Schnee in Salzburg)

Anonym hat gesagt…

Nachtrag von der 3.Frau (:
Großer Kalif,
ich vermisse ein bißchen den Klang der jemenitischen Kultur - natürlich v.a. deines jemenitischen Arabischen - wie du sicher weise vorahnst. Du verstehst doch, wir alle hocken vorm Computer für frische Nachrichten aus Jemen und haben unsere Sonderwünsche an dich zwischendurch, besonders jetzt, wenn deine Großzügigkeit so uneingeschränkt über uns strahlt - Hättest du vielleicht einen Link zur Musik aus Jemen, oder zumindest ein Straßengeräusch ...
Läßt sich da was machen, unser großer Kalif? :))